Weinbau in Neudorf - Historische Wurzeln
Die alten Flurbezeichnungen "Im Vordere Wingerte" und "Im Hintere Wingerte" legen den Schluss nahe, dass hier einmal Weinbau betrieben worden ist, denn Wingert ist ein altes Wort für Weinberg. Die so bezeichneten Flurstücke liegen in südlicher bis südwestlicher Lage am mittelsteilen Hang oberhalb des Ortes; wenn überhaupt in diesem Talkessel ein Platz zur Aufzucht von Reben geeignet ist, dann ist es dieser. Ältere Mitbürger erzählen zudem, dass ihnen in ihrer Jugend vom örtlichen Weinbau erzählt worden ist. Es gibt darüber hinaus einen sicheren Hinweis auf Weinbau aus dem Jahre 1781, als Neudorf noch von Aufenau verwaltet wurde. Da ist in einem Gutachten des Mainzer Kammerdirektors Linden u.a. von Weinbergen die Rede:
"... über die Zahl und den Befund der zu der von Kurmainz gekauften Herrschaft Aufenau und Neudorf gehörenden Gebäude, Weinberge, Äcker, Wiesen, Waldungen, Jagd, Fischerei, Mühlen, Schäferei, Reuten und Gefälle ..."
Dies ist natürlich kein unangreifbarer historischer Beweis für Weinbau in Neudorf. Dennoch kann aufgrund der günstigen Lage mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es hier Weinanbau gab. Man kann annehmen, dass Frostschäden, Rebkrankheiten sowie Schädlinge -etwa die berüchtigte Reblaus- Ende des 18. oder Anfang des 19. Jahrhunderts zum Niedergang des Weinbaues in Neudorf geführt haben.
Neuanfang - Die Idee
Im Oktober 2006 wurde die Idee geboren, den Weinbau in Neudorf wieder zu beleben. Schnell fanden sich zahlreiche Neudorfer Bürgerinnen und Bürger, um dieses Vorhaben zu verwirklichen.
Auf Initiative des Ortsvorstehers Gerhard Seitz begann das Abenteuer Weinbau mit einem Ausflug im März 2007 an den Rhein, in das schöne Örtchen Dörscheid in der Nähe der Loreley. Bei der Besichtigung eines örtlichen Weinbaubetriebes wurden nützliche Informationen über den Weinbau gesammelt. Natürlich kam auch das gesellige Zusammensein nicht zu kurz.
Bald nach dem Ausflug fiel die Entscheidung: Wir wollen es versuchen!
Neuanfang - Die Umsetzung
Nun galt es, einen geeigneten Standort für den Weinberg und einen ungenutzten Keller für die Weinherstellung zu finden und für das Vorhaben bereitzustellen.
Als Standort wurde eine Ackerfläche hinter dem alten Wasserhäuschen, oberhalb der Mitte unseres Dorfes, ausgewählt. Die Einigung mit dem Pächter und der Eigentümerin der in Anspruch zu nehmenden, 650 m² großen Fläche war nur noch Formsache. Auch ein geeigneter, bisher ungenutzter Kellerraum konnte organisiert werden.
Also frisch ans Werk und mit der Anlage des Weinberges begonnen? Aber doch nicht in Deutschland! Wie (fast) alles ist auch der Weinanbau in Hessen streng geregelt:
- Beim Weinbauamt in Eltville ist vor Beginn der Aktivitäten eine Genehmigung einzuholen. Dazu ist ein exakter Lageplan einzureichen.
- Ein Hobbywinzer darf maximal 100 m² bewirtschaften.
- Die Parzellen unterschiedlicher Winzer müssen deutlich voneinander abgegrenzt sein.
Schließlich zeichneten drei Bürger als Winzer für je eine Parzelle verantwortlich. Das Grundstück erlaubte zu den 3 * 100 m² Weinanbaufläche auch die geforderte Trennung der Parzellen durch Grünland mit Obstbäumen. Und irgendwann kam dann auch die ersehnte Genehmigung!
Jetzt galt es, eine geeignete Rebsorte auszuwählen. Gesucht war eine weiße Rebsorte, die auch in rauem Klima gedeiht und vor allem relativ robust ist. Die Neudorfer Weinfreunde einigten sich schließlich auf die pilzwiderstandsfähige Rebsorte Johanniter, eine Neuzüchtung, die die geforderten Kriterien erfüllen sollte.
Im Mai 2007 wurden 186 der jungen Pflanzen in den eigens dafür eingezäunten Weinberg gesetzt.
Viele fleißige Hände waren von Beginn an notwendig, um die Reben gedeihen zu lassen.
Nachdem im Oktober 2007 der Drahtrahmen für das Befestigen der mittlerweile stark gewachsenen Weinreben gestellt wurde, konnte man die Konturen eines sehr gepflegten Weingartens erkennen.