Sozusagen an jeder Straßenecke des Internets bekommt man eine E-Mail-Adresse angeboten: Das fängt beim Zugangsprovider (also der Firma, die den DSL-, Kabel- oder Mobilfunkanschluss bereitstellt) an, geht über den Webhoster (also die Firma, die den eigenen Webauftritt betreut), über etliche Anbieter „kostenloser" Dienste weiter und hört bei Firmen, die ihren Kunden E-Mail-Postfächer anbieten, noch nicht auf. Die Entscheidung, welches (oder welche) der Angebote man dann schließlich annimmt, sollte man sich nicht zu leicht machen, denn ein späterer Wechsel des Anbieters ist gerade bei starker E-Mail-Nutzung nicht leicht: Schließlich muss man die neue E-Mail-Adresse vielleicht Dutzenden oder Hunderten von Kommunikationspartnern mitteilen und darf auch nicht vergessen haben, bei wem man alles seine E-Mail-Adresse hinterlassen hat (z.B. bei der Bank, beim Finanzamt, beim Vermieter, bei der Autoversicherung, ....).
Es kann durchaus sinnvoll sein, sich mehrere unterschiedliche E-Mail-Adressen, eventuell auch bei verschiedenen Anbietern, zuzulegen. Dadurch kann man z.B. eine E-Mail-Adresse an Freunde und Bekannte und eine weitere an Geschäftspartner geben, während man für die oft notwendige Anmeldung für irgendwelche Downloads oder E-Mail-Newsletter eine dritte E-Mail-Adresse verwendet.
Für die Auswahl des oder der E-Mail-Anbieter (im folgenden Provider genannt) sollte man einige Kriterien definieren und diese gewichten. Zu diesen Kriterien könnten gehören:
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- Leistungsfähigkeit,
- Komfort,
- Zuverlässigkeit,
- Schutz der Privatsphäre,
- Datensicherheit,
- Finanzielle Solidität.
Leistungsfähigkeit
Ein wichtiges Kriterium in dieser Disziplin ist die Größe des Speicherplatzes, der für abgespeicherte Mails zur Verfügung steht. Dies gilt insbesondere für Benutzer, die ausschließlich den Webmail-Dienst des Providers (per Browser) nutzen, denn in diesem Fall liegt ja das gesamte E-Mail-Archiv auf dem Server des Providers. Hierfür sind 50 MB (wie z.B. früher bei Arcor) keinesfalls ausreichend. Die meisten Provider bieten aber mittlerweile Speicherplatz im Bereich mehrerer Gigabyte an, was auch für ein größeres Mail-Archiv mehr als ausreichend sein sollte.
Ganz wichtig ist die Verschlüsselung mindestens der Anmeldedaten, besser aber des gesamten Mailverkehrs, also durchgängige Benutzung von SSL bei Benutzung des Webmailers (erkennbar am https://.... oder am geschlossenen Schloss in der Adresszeile des Webmailers).
Interessant sind auch Funktionen, um eingehende Mails automatisch an einen anderen Provider weiterzuleiten oder die eigenen Mails vom Mailkonto bei einem anderen Provider automatisch abholen zu lassen; im letzteren Fall muss man allerdings die Zugangsdaten zum anderen Provider hinterlassen, was nicht jeder Benutzer gerne macht. Die automatische Weiterleitung an einen anderen Provider ist dann sinnvoll, wenn man zwar mehrere Postfächer benutzt, aber nicht alle immer einzeln kontrollieren möchte.
Immer wichtiger wird auch die Nutzung von E-Mail mit mobilen Geräten wie Smartphones. Hierfür sollte der Provider einen geeigneten und komfortablen Zugang bereitstellen, z.B. in Form von Apps für die gängigen Plattformen wie Android und iPhone.
Komfort
Kriterien sind hier die Benutzerfreundlichkeit des Webmailers, aber auch die angebotenen Dienste für externe Mail-Clients.
Es ist nicht zu übersehen, dass die Webmailer bei fast allen Providern in den letzten Jahren durch die Nutzung aktueller Browser-Technologie gewaltig an Benutzerfreundlichkeit zugelegt haben. Komfortable Editiermöglichkeiten, Markierungen für E-Mails, leichte Handhabbarkeit von Anhängen, Spam-Filter und vieles mehr sind heute weitgehend selbstverständlich.
Zuverlässigkeit
Hier kann der Provider mit einer weitgehend unterbrechungsfreien Verfügbarkeit des Angebotes punkten. Das erfordert allerdings erhebliche Investitionen für die verwendete Server-Infrastruktur und in entsprechend gut ausgebildetes Personal.
Natürlich sollten E-Mails weder beim Empfang noch beim Versenden verloren gehen.
Schutz der Privatsphäre
Gerade nach der Aufdeckung der Lauschaktionen von NSA und anderen Geheimdiensten ist dieses Thema in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit geraten. Bezogen auf E-Mail sollte sich der Benutzer fragen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Provider den gesamten E-Mail-Verkehr scannt, um Nutzerprofile zu erstellen und/oder Werbung zielgerichtet an bestimmte Benutzer zu schicken.
Leider kann man als Kunde nicht so einfach feststellen, was hinter den Kulissen so alles passiert, aber falls der Standort der Server-Infrastruktur des Providers bekannt ist, kann man daraus Rückschlüsse ziehen. Denn entscheidend für den Grad des Schutzes der Privatsphäre ist die Datenschutz-rechtliche Situation am Standort des Providers. Einfach gesagt: Standort USA ist bedenklich, Standort Deutschland ist gut. Bei mehreren Standorten sollte man bei der Bewertung vom schlechtesten Standort ausgehen.
Das Löschen von Mails aus dem eigenen Postfach nutzt übrigens bei diesem Thema überhaupt nichts, da die Mails wahrscheinlich längst ausgewertet sind, bevor sie den Empfänger erreichen.
Für externe Mail-Clients sollte der Provider die Protokolle POP3, IMAP (beide zum Abholen von E-Mails) und SMTP (zum Versenden von E-Mails) jeweils in der verschlüsselten Form unterstützen.
Datensicherheit
Wer seine Daten, in diesem Fall seine E-Mail-Korrespondenz, bei einem Provider lagert, ohne sich um eine Backup-Kopie selbst zu kümmern, muss sich über das Risiko eines möglichen Verlustes im Klaren sein. Insbesondere kostenlose Dienste werden es sich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehalten, für eventuelle Verluste keineswegs gerade stehen zu müssen. Allerdings kann man bei größeren Dienstleistern, vor allem auch bei den Anschlussanbietern, davon ausgehen, dass sie sich schon um eine ordentliche Backup-Strategie zur Minimierung von Datenverlusten bemühen. Dennoch ist in Pressemeldungen vereinzelt davon zu lesen gewesen, dass es in der Vergangenheit auch bei großen Dienstleistern Datenverluste gegeben hat.
Etwas besser sieht die Sache bei den Benutzern aus, die ihre E-Mails (auch) auf dem eigenen Rechner speichern, da dann die Möglichkeit eines lokalen Backups, z.B. auf eine USB-Festplatte, besteht.
Finanzielle Solidität
Ein Augenmerk sollte man auch auf die wirtschaftliche Solidität und die langfristige Überlebenswahrscheinlichkeit eines solchen E-Mail-Dienstes richten. Es hat nämlich schon Fälle gegeben, dass ein großer Provider wie Lycos völlig vom Markt verschwunden ist oder dass ein heftig beworbenes Produkt eines großen Konzerns wieder vom Markt genommen worden ist, z.B. der Dienst epost.de der Deutschen Post AG.
Fazit
Den einzig wahren Super-Provider gibt es nicht. Vielmehr gibt es viele Anbieter, die unterschiedliche Stärken ausweisen. Bei diesen sollte jeder gemäß den vorstehenden Kriterien für sich bewerten, welche davon für ihn eher wichtig oder eher unwichtig sind.
Aus meiner persönlichen Erfahrung spricht relativ wenig dagegen, sich eine E-Mail-Adresse bei seinem DSL- oder Kabelnetzbetreiber zuzulegen. Bei diesen kann man davon ausgehen, dass sie ein Interesse daran haben, ihre (zahlenden) Kunden nicht mit Unzulänglichkeiten bei Zusatzdiensten wie E-Mail zu vergraulen.
Wer jedoch nicht sicher ist, ob er seinem Zugangsprovider treu bleibt, sollte sich bei kostenlosen deutschen E-Mail-Anbietern wie GMX umsehen.
Wer zu den (gar nicht mehr so seltenen) Menschen gehört, die auf eine eigene Domain Zugriff haben, kann sich dort meist auch ein Postfach anlegen. Bei mir z.B.
Wer dem Schutz seiner Privatsphäre nicht unbedingt Priorität einräumt, ist sicher auch bei Google, Yahoo oder Microsoft gut aufgehoben.