Bis Ende der 1960er Jahre war das -1840 erbaute- Alte Rathaus in Neudorf (s. Zeichnung von Erich Ottmann) nicht nur Verwaltungssitz, sondern ein lebendiges, multifunktional genutztes Gebäude.
Danach begann der Niedergang:
- Am 19.07.1969 wurde das gerade neu erbaute Dorfgemeinschaftshaus (DGH) in Neudorf vom damaligen Landrat Rüger feierlich eröffnet. Kurz darauf zog die Gemeindeverwaltung Neudorf aus dem Rathaus ins DGH um. Damit war aus dem Rathaus das Alte Rathaus geworden.
Übrigens blieb auch das DGH nicht lange Verwaltungssitz, denn mit Wirkung vom 01.01.1971 wurde Neudorf im Zuge der Gebietsreform in Hessen zum Stadtteil von Wächtersbach; die städtischen Dienststellen wurden in der Innenstadt konzentriert. - Bedingt durch die technische Ausrüstung mit einem Tragkraftspritzenanhänger zog die Freiwillige Feuerwehr bereits 1960 vom damaligen Rathaus in den Anbau der "Alten Schule" (Schuppen an der Stirnseite, heute Lager). Die Übungen fanden auf dem Schulhof statt.
1970 -nach dem Bau des Dorfgemeinschaftshauses mit Anbau für die Feuerwehr- erfolgte der Umzug von der Alten Schule ins neue Gerätehaus. - Ab 1960 wurde der Kellerraum im Rathaus durch die Milchabsatzgenossenschaft Hesseldorf-Weilers-Neudorf als Milchsammelstelle von -zunächst- zahlreichen Milchlieferanten genutzt. Da die ortsansässigen Nebenerwerbslandwirte ihre Betriebe jedoch nach und nach mangels Rentabilität (bei gleichzeitig hohem Arbeitsaufwand) aufgaben, wurde auch die Milchsammelstelle ab 1982 nicht mehr benötigt.
Folge dieser Entwicklungen für das denkmalgeschützte Alte Rathaus war jahrelanger Leerstand!
Doch dann hatte der Neudorfer Bürger Wilhelm Werth die Idee, einen Teil der Räume für ein kleines Heimatmuseum zu nutzen. Mit viel Enthusiasmus, noch mehr Arbeit und freundlicher Unterstützung durch die Stadt Wächtersbach (als Eigentümerin der Immobilie) brachte er den Eingangsbereich, das Treppenhaus und das 1. Obergeschoss des Alten Rathauses wieder in Schuss. Die Ausstellungsstücke für "sein" Heimatmuseum kamen teils aus eigenem Bestand, teils wurden sie von anderen Familien aus Neudorf oder aus der näheren Umgebung zur Verfügung gestellt. So kam eine sehenswerte Sammlung von Fotos, Dokumenten, Schildern, Ansichtskarten, Luftbildern, Möbeln und zahlreichen Gegenständen des alltäglichen Lebens aus der Vergangenheit Neudorfs zusammen. Schwerpunkte waren auch Fotos der gefallenen Soldaten aus Neudorf sowie die Nachkriegszeit nach dem 2. Weltkrieg.
Im September 1999 wurde das Heimatmuseum Neudorf unter reger Beteiligung durch Neudorfer Bürger und Vertreter der Stadt Wächtersbach von Wilhelm Werth (s. Foto) eröffnet.
Wilhelm Werth sorgte in den nächsten Jahren auch für regelmäßige Öffnungszeiten "seines" Heimatmuseums. Doch Herr Werth wurde älter und war irgendwann einmal alters- und gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage, das Heimatmuseum weiterhin zu betreuen. Damit versank das Alte Rathaus erneut in einen Dornröschenschlaf.
Erst als Neudorf zusammen mit den Nachbarstadtteilen Hesseldorf und Weilers für die Jahre 2010 bis 2018 in das Dorferneuerungsprogramm des Landes Hessen aufgenommen wurde, gab es wieder ernsthafte Aktivitäten zur Wiederbelebung von Altem Rathaus und Heimatmuseum.
Als in der ersten Phase der Dorferneuerung mögliche Projekte identifiziert und definiert wurden, wurden für Altes Rathaus und Heimatmuseum folgende Ziele ausgegeben:
- Erhöhung der Attraktivität für Besucher
- Integration in den alten Dorfplatz (Dalles)
- Erhalt des historischen Gebäudes mit Glockenturm
Anfang 2014 wurde aus der Arbeitsgemeinschaft Dorferneuerung ein Flugblatt konzipiert und verteilt, in dem die Neudorfer Bevölkerung aufgefordert wurde, mit Rat und Tat bei der Neukonzeption und bei der Renovierung des Alten Rathauses mitzuwirken.
Schließlich formierte sich unter der Koordination von Frank Schneider, dem damaligen Ortsvorsteher, eine Projektgruppe aus Neudorfer Bürgern, die sich die Neukonzeption und Sanierung von Altem Rathaus und Heimatmuseum auf die Fahnen geschrieben hat.
In mehreren Sitzungen wurden zunächst einmal Wünsche und Anforderungen formuliert. Hier die wichtigsten:
- Isolierung der Außenwände und Verkleidung mit Holzschindeln
- Erneuerung von Fenstern und Dach
- Einbau einer Heizung
- Ausbau des Dachstuhls als Archiv oder Ausstellungsfläche
- Einbau einer Toilette
- Außenfarbe gelb mit grünen Fensterläden
Insgesamt soll das Alte Rathaus als echtes Kleinod im Dorfzentrum erhalten werden. Auch Gerhard Seitz, der frühere Ortsvorsteher, der leider im Dezember 2014 verstorben ist, arbeitete noch bis wenige Tage vor seinem Tod an der Konzeption mit.
Auf Veranlassung der Stadt Wächtersbach gab es am 12.12.2014 einen Ortstermin mit der Arbeitsgruppe und dem Architekturbüro Heim, das die Projekte im Rahmen der Dorferneuerung bearbeitete. Neben einer Besichtigung der Örtlichkeiten wurden insbesondere folgende Themen angesprochen:
- Die Trägerschaft für das Heimatmuseum
- Ein Museums- und Nutzungskonzept
- Der Umfang möglicher Sanierungsmaßnahmen
- Die Finanzierungsmöglichkeiten
Zur Thema "Trägerschaft" konnte aus der Erfahrung heraus festgestellt werden, dass es nicht sonderlich empfehlenswert ist, eine Einzelperson in die alleinige Verantwortung für das Heimatmuseum zu nehmen: Kann oder will dieser Einzelne sich nicht mehr um das Heimatmuseum kümmern, so versanden alle Aktivitäten.
Stattdessen war die Arbeitsgruppe der einhelligen Auffassung, dass ein Verein als Träger auftreten sollte. Hier konnte inzwischen eine offenbar sehr gute Lösung gefunden werden:
- Das Heimatmuseum Neudorf (HMN) wird künftig als Außenstelle des Heimat- und Geschichtsvereins Wächtersbach e.V. (HGV) geführt. Die Trägerschaft geht im Einvernehmen mit der Stadt und dem Ortsbeirat auf diesen Verein über. Damit werden Versicherungsfragen geklärt und die Nachhaltigkeit gesichert.
- Die Mitglieder der Arbeitsgruppe treten in den HGV ein und bilden das "HGV - Team Neudorf".
Die Aufgaben sollen auf mehrere Schultern verteilt werden, weshalb künftig ein Team die Führung des HMN übernehmen wird. Ende 2014 bestand das Team aus den Neudorfer Bürgern Jürgen Werth, Wolfgang Seitz, Richard Kistner und Frank Schneider. Günter Kistner und Burkard Wolf unterstützten als Mitglieder des Ortsbeirates aktiv die Arbeiten des Teams.
Ein Nutzungskonzept für das Alte Rathaus wurde inzwischen erstellt. Darin enthalten sind u.a. folgende Maßnahmen, die durchgeführt werden sollen:
- Dauerhafte Erhaltung des historischen Gebäudes und weiterhin Nutzung als Heimatmuseum
- Ausbau des Dachbodens zur Nutzung als Archiv und zur Aufbewahrung der Ausstellung Neudorf damals bis heute, die anlässlich des Jubiläums 650 Jahre Neudorf entstanden ist.
- Nutzung des 1. Stocks als Trauzimmer in historischer Umgebung.
- Steigerung der Attraktivität des Museums, das mit wechselnden Ausstellungen auch zu häufigeren Besuchen animieren soll. Basis hierzu bietet das gesammelte Material aus Neudorf damals bis heute.
- Einrichtung eines Erzählcafés oder eines historischer Nachmittags, wobei Geschichten aus, um, oder von Neudorf sowie Anekdoten von Zeitzeugen berichtet und dokumentiert werden.
- Erforschung und Dokumentation der Geschichte des Gebäudes und seiner bisherigen Nutzung
- Inventarisierung der Bestände
- Erkundung und Dokumentation der Stammbäume von ortsansässigen Familien
- Vollendung einer begonnenen Chronik
- Eventuell Einrichtung eines kleinen Feuerwehrmuseums im großen Raum im Erdgeschoss
- Erleichterung des Zugangs durch feste Öffnungszeiten
Da eine nachhaltige Nutzung auch eine nachhaltige Sanierung erforderlich macht, gibt es bezüglich der Ausbaumaßnahmen folgende Vorschläge:
- Das Gebäude soll von außen komplett gedämmt und mit gelben Holzschindeln verkleidet werden (was dem ursprünglichen Zustand entspricht).
Später wurde beschlossen, die Dämmung und Verkleidung mit gelben Holzschindeln doch nicht durchzuführen, sondern stattdessen das Fachwerk zu zeigen. - Es sollen neue Fenster mit grünen Fensterläden und Blumenkästen eingebaut werden.
- Auch das Dach muss erneuert werden. Der Dachstuhl soll für ein Archiv ausgebaut werden.
- Der Einbau einer Toilette und einer Heizung sind dringend erforderlich.
Zu diesem Zeitpunkt waren für das Projekt "Heimatmuseum Altes Rathaus" € 40.000,- als förderfähiges Investitionsvolumen im Rahmen der Dorferneuerung eingeplant. Zu diesen anerkannten Kosten erhielt die Stadt einen Zuschuss von ca. 70%. Wächtersbach musste also auf jeden Fall 30% dieser Kosten tragen und hatte dies auch bereits entsprechend im Haushaltsicherungskonzept eingeplant.
Allerdings war schnell absehbar, dass aufgrund der Vielzahl erforderlicher Renovierungsmaßnahmen diese Summe nicht ausreichen würde. Die Umwidmung von Mitteln innerhalb der Dorferneuerung, die bei anderen Projekten nicht benötigt oerden, wurde deshalb beantragt. Dazu war die Zustimmung des Main-Kinzig-Kreises erforderlich, damit die Detailplanungen zur Sanierung in Angriff genommen werden konnten.
Geplant war außerdem die Gründung eines Förderkreises aus vornehmlich einheimischen Unternehmen, die auf Dauer "Ihr" HMN finanziell unterstützen. Vor allem sind aber in erheblichem Umfang Eigenleistungen durch die Mitglieder der Projektgruppe "Altes Rathaus" und durch weitere Neudorfer Bürger erforderlich.
Ein erster Arbeitseinsatz der Projektgruppe fand am 14.02.2015 statt. Dabei wurde zunächst einmal in nicht unerheblichem Umfang entrümpelt und Bauschutt entfernt. Wobei sorgfältig abgewogen wurde, ob die vorgefundenen Gegenstände eventuell historischen Wert haben und noch für Ausstellungszwecke genutzt werden könnten. Der Raum für den Einbau einer Toilette im Erdgeschoss wurde vorsorglich bereits entkernt. Dabei wurde deutlich, dass das Gebäude dringend gegen das Eindringen von Feuchtigkeit geschützt werden muss!