Wenn im Raum Wächtersbach Anfang 2018 von der Bahn die Rede ist, denkt fast jeder an die in Planung befindliche Neubaustrecke Hanau – Fulda. Dabei ist ein Thema (vielleicht zu sehr) in den Hintergrund getreten, das viele Bürger in Neudorf und anderen Wächtersbacher Stadtteilen brennend interessiert: die Lärmbelästigung, die von der vorhandenen Bahnstrecke durch das Kinzigtal ausgeht.
Doch gerade hierzu hat es in den letzten Januartagen zwei wichtige Nachrichten gegeben:
- Das Eisenbahnbundesamt hat die 2. Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung an der Lärmaktionsplanung gestartet.
- Der Verein ProWächtersbach hat im Rahmen einer Pressekonferenz eine bundesweite Petition zum besseren Lärmschutz an Bestandsstrecken der Bahn auf den Weg gebracht.
Begleitend zur Planung der Deutsche Bahn Netz AG für die Neubaustrecke geht es in der Öffentlichkeit rund:
- Mal mobilisiert eine Bürgerinitiative gegen „Monsterbrücken“, wobei das Publikum manchmal den Eindruck haben kann, dass es primär darum geht, die Neubaustrecke –frei nach Sankt Florian- aus dem eigenen Blick- und Hörfeld wegzudiskutieren.
- Dann wieder fordern Politiker und Mandatsträger in starken Worten Informationen von der Bahn an, die allerdings meist schon seit Monaten auf der eigens hierfür eingerichteten Website der Bahn öffentlich zum Download angeboten werden.
- Und schließlich findet sich immer mal wieder ein Experte, der alleine eine viel bessere Linienführung für eine Ausbaustrecke gefunden haben will als die Projektplaner der Bahn, wobei offenbar keine Rücksicht auf Naturschutzgebiete, Hochwasserflächen und vorhandene Infrastruktur genommen wird.
Während die Planer der Bahn natürlich jeden Vorschlag (auch den abwegigsten) prüfen und bewerten müssen (um nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu werden, Bürgerbeteiligung nicht ernst zu nehmen), verzögert sich die Festlegung einer Antragsvariante für das anstehende Raumordnungsverfahren immer mehr; dies aber auch, weil wichtige Informationen noch fehlen. So wird es sicher noch 10 oder 12 Jahre dauern, bis die ersten Züge auf einer Neubaustrecke rollen werden.
Bis dahin jedoch wird der Zugverkehr auf der Bestandsstrecke weiter zunehmen – und damit auch die Lärmbelastung für die Anwohner.
Nicht untätig war in der Zwischenzeit das Eisenbahnbundesamt. Gemäß seinem gesetzlichen Auftrag ist es sowohl für eine Umgebungslärmkartierung an den Eisenbahnhauptstrecken als auch für die Lärmaktionsplanung zuständig. Ende Juni 2017 wurden die neuen Umgebungslärmkarten bereitgestellt, im zweiten Halbjahr 2017 der Lärmaktionsplan 2017/18, Teil A, und am 24.01.2018 wurde die 2. Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung an der Lärmaktionsplanung gestartet. Auf einer Internetplattform konnten sich alle Bürger an der Befragung beteiligen, die als Grundlage für weitere Maßnahmen dienen soll.
Schon die Lärmkarte für sich alleine ist hochinteressant, besonders die Lärmindizes Tag-Abend-Nacht (LDEN) und Nacht (LNIGHT). Man kann sich die Karten für Wächtersbach als fertige Dokumente für LDEN und LNIGHT herunterladen, aber auch die interaktive Anwendung benutzen, die ein Hineinzoomen bis auf Hausebene erlaubt.
Das umfangreiche Dokument Lärmaktionsplanung A liefert dann noch zahlreiche Hinweise und Erklärungen. So erfährt man z.B., dass es in fast ganz Neudorf trotz Lärmschutzwand sowohl über den ganzen Tag gerechnet als auch bei isolierter Betrachtung der Nacht –teils deutlich- zu laut ist. Man erfährt aber auch (S. 56)
„Ein gesetzlicher Anspruch eines Betroffenen auf Lärmschutz besteht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und den darauf basierenden Verordnungen nur dann, wenn Schienenwege neu gebaut oder wesentlich geändert werden (Lärmvorsorge). Im Rahmen des Lärmsanierungsprogramms der Bundesregierung kann auch an bestehenden Eisenbahnstrecken Schallschutz realisiert werden. Die Lärmsanierung ist dabei eine freiwillige Leistung des Bundes, auf die kein Rechtsanspruch besteht.“
Auch wichtig (s. 57):
„Durch den Wegfall des Schienenbonus sowie der Absenkung der Auslösewerte ist eine Neuberechnung des Bedarfs für die Lärmsanierung erforderlich. Diese Neuberechnung betrifft das gesamte Schienennetz der Eisenbahnen …. Dabei werden auch die bereits sanierten Abschnitte wieder mit betrachtet.“
Es besteht also Hoffnung, dass trotz der bereits bestehenden Lärmschutzwand für Neudorf weitere Maßnahmen in Betracht kommen. Allerdings dürften Gemeinden, in denen bisher noch gar keine Maßnahmen durchgeführt worden sind, eine höhere Priorität bekommen als wir.
Zusammengefasst bedeutet das für Neudorf und Wächtersbach: Es ist möglich, dass weitergehende Lärmschutzmaßnahmen durchgeführt werden, aber es gibt keinen Rechtsanspruch darauf.
Genau hier setzte die Online-Petition „Lärmschutz jetzt“ des Vereins ProWächtersbach an: Während es an Neubaustrecken relativ harte Vorgaben für den Lärmschutz gibt, gelten an Bestandsstrecken wesentlich höhere Lärmwerte noch als akzeptabel. Der Text der Petition forderte nun, dass auch an Bestandstrecken die schärferen Vorgaben für Neubaustrecken umgesetzt werden müssen.
Zum Start der Petition hatte der Verein zu einer Pressekonferenz auf ein Grundstück in Neudorf geladen, um die Lärmbelastung gleich vor Ort zu demonstrieren. Während der Pressekonferenz wurde die Petition von den Vereinsmitgliedern symbolisch gestartet. Begleitend ging ein Offener Brief an den Geschäftsführenden Bundesverkehrsminister Christian Schmidt mit der Bitte um Unterstützung für die Petition.
Der Verein hofft jetzt natürlich darauf, dass möglichst viele Menschen nicht nur in Neudorf und Umgebung die Petition unterschreiben, damit das ambitionierte Ziel von 50.000 Unterstützern erreicht wird.
Leider wurde das Ziel der Petition jedoch klar verfehlt, sodass diese nicht an den Petitionsausschuss des Bundestages übergeben wurde.